2007-02-02

Erich-Kästner-Festival

Mit dem Erich Kästner Museumsfestival feiert der Förderverein für das ERICH KÄSTNER MUSEUM/ Dresdner Literaturbüro e.V. in diesem Jahr den 108. Geburtstag seines Namensgebers und das eigene achtjährige Bestehen.

Das Erich Kästner Museum ist eine dreidimensionale, begehbare, künstlerische Konstruktion als Hommage an das Leben und Werk des weltbekannten Autors. Es verkörpert eine Architektur des Erinnerns und Imaginierens; zugleich fungiert es als ungewöhnliches Kulturpodium – ungewöhnlich durch sein museologisch-architektonisches Konzept, ungewöhnlich aber auch durch die inhaltliche Zielsetzung seiner Programme. Literatur als Kunstform und Kommunikationsmittel wird stets in Verbindung zu anderen Künsten und Wissensbereichen gesetzt. Durch diese Programmatik werden, ganz im Geiste Kästners, Schnittstellen und Schnittmengen kulturell-gesellschaftlicher Aspekte ausgelotet.

Unser Festival folgt jedes Jahr einem der 15 Piktogramme, mit denen der Architekt und Künstler Ruairí O'Brien das Konzept seines micromuseum® bildhaft dargestellt hat. Mit dem Piktogramm Bauklötze widmet sich das Festival in Anlehnung an das diesjährige Jahreshauptthema der Dresden Werbung und Tourismus GmbH, Stadt der Architektur, dem Leitthema Konstruktion.

Die Wechselbeziehungen zwischen Sprache, Literatur und Architektur sind tief in der Kulturgeschichte verankert. Anliegen des Programms ist es, unter Rückbezug auf das Kästnersche Werk, Architekturtopoi in der Literatur aufzuspüren, Analogien und stilistische Parallelen zu finden, architekturinspirierte, verdichtete Stadtimpressionen vorzustellen und ihre Merkmale zu untersuchen, das Formal-Konstruktive in literarischen Texten zu analysieren, komplexe räumlich-sinnliche Wahrnehmungen und ihre sprachliche Vergegenwärtigung zu betrachten. Umgekehrt werden literarische Topoi und Konstruktionsprinzipien in architektonisch-künstlerischer Umsetzung vorgestellt.

Neben Fachvorträgen möchten wir dies, unserem Museumsprinzip folgend, insbesondere durch Einbindung anderer künstlerischer Umsetzungen und Workshops vermitteln, um dem Kästnerschen Kunstverständnis gerecht zu werden: „Nicht mit philologischem, sondern mit künstlerisch geleitetem Interesse allein kann man dem Wesentlichen nahekommen.“ („Klassische Architektur“, 1925)

Erich Kästner selbst hat sich mit der Bedeutung von Architektur – insbesondere der des „Maschinenzeitalters“ – für die Entwicklung der Literatur auseinandergesetzt, was zahlreiche Bände seiner Privatbibliothek ebenso belegen wie Texte aus seiner literarischen Publizistik – beispielsweise „Kleinstädtisches Berlin“ (1927) –, in denen er seine Kritik an den „lyrischen Stadtbauräten“, den Verfechtern der Großstadtlyrik, formuliert. Viele architektonische Elemente - der Vorgarten, die Vorstadtstraßen, die Mietskaserne, die Teppichstange, ... – kehren gerade in seinen autobiografisch gefärbten Texten – der namhafteste darunter „Als ich ein kleiner Junge war“ (1957) – leitmotivisch wieder. „Emil und die Detektive“ ebenso wie „Fabian“ zeigen Strukturmerkmale eines Stadtromans auf, wobei der urbane Handlungsraum positiv oder negativ belegt sein kann.

Das diesjährige Festival Konstruktion bietet rund um den Kästnerschen Geburtstag vom 23.02.-02.03.2007 hochwertige Unterhaltungsprogramme, künstlerisch-wissenschaftliches Experiment, zeitgenössischen Dialog, Nachwuchsförderung sowie eine themenspezifische Ausstellung für ein generationsübergreifendes Publikum.

Das Festival wird am 23.02.2007 – zum 108. Geburtstag Erich Kästners – mit Theo Richtsteigers literarischem Kabarett-Programm „Zwei kühne Schwimmer 'im Wörtersee' oder reifer Gernhardt trifft jungen Kästner“ eröffnet. Kenntnisreich vorgetragen werden Texte Erich Kästners und des kürzlich verstorbenen Robert Gernhardt, Träger des Erich Kästner Preises für Literatur 1999. Zeitgleich startet der Museumsarchitekt Ruairí O'Brien die öffentliche Materialsammlung für sein multimediales Gesellschaftskunstwerk „Turm zu Babel“, das im September 2007 eingeweiht wird. In Zusammenarbeit mit Peter Zenk (Lunaris-Film), der bereits drei Neuverfilmungen von Kästner-Kinderbüchern produziert hat, wird in der Kabinettausstellung „Produktionen im Dreh. Kästner-Filme für die ganze Familie” exemplarisch der zurückliegende Kompositions- und Konstruktionsprozess gezeigt. Espresso Doppio sind Jan F. Kurth und Hagen Gebauer – zwei Sänger mit zwei „Loop-Maschinchen”, die zeigen, dass die Stimme ein Instrument unendlicher Möglichkeiten ist.

Remo Hug (Lektor und Redakteur aus Zürich) reflektiert in seinem Vortrag über Erich Kästner als Konstrukteur von lyrischem Sprechen. Die anschließende Vorführung des Films „Fabian“ (1980) illustriert die Kästnersche Konstruktion eines Großstadtromans und dessen architektonisch-literarische Elemente.

Der künstlerische Konstruktions-Workshop I Ruairí O’Briens „Literatopia – Erfindung einer neuen Literaturstadt“ führt Kinder spielerisch an die Inhalte und gegenseitigen Bezüge von Literatur und Architektur heran.

In Jacques Tatis skurril-absurdem Film „Playtime” (1967) hat die Moderne gesiegt: Technik und Architektur bestimmen den Menschen. Schauplatz ist Paris, das Flughafengebäude, ein Bürohochhaus, eine Messehalle, Wohnungen, ein Restaurant – alles in Beton, Stahl, Chrom und Glas – lupenrein. Dazu ein baylonisches Durcheinander verschiedenster Sprachen und mittendrin der unvergleichliche Monsieur Hulot.

An Studenten der Architektur, der Literaturwissenschaft sowie an andere Interessierte richtet sich der Konstruktionsworkshop II, „City Letters – Architektonische Elemente und Fragmente bei Erich Kästner und Zeitgenossen“, in dem neue Perspektiven im Hinblick auf die Wechselseitigkeit von Architektur und Literatur aufgezeigt, Texte auf deren architektonische Komponenten hin analysiert und einzelne Elemente in Modellen nachgebaut werden.

Der Kultfilm „The Fountainhead“ (1949) mit Gary Cooper in der Hauptrolle ist eine Hymne auf den Kampf des Einzelnen, des Künstlers gegen die Gesellschaft, auf die Entstehung der Modernen Architektur in den USA und wahrscheinlich auch eine Hommage an den Architekten Frank Lloyd Wright (1867-1959). Die literarische Vorlage stammt von Ayn Rand.

„Derrida“ (2002) ist eine kluge Dokumentation über und mit Jaqcues Derrida, die mit selbstreflexiver Leichtigkeit Verbindungen zwischen dem Menschen und dem Philosophen, der als „Vater der Dekonstruktion“ zu Weltruhm gekommen ist, herstellt. In der anschließenden offenen Gesprächsrunde wird unter dem Leitmotiv „Architektur des Denkens“ über Postmoderne und Dekonstruktion diskutiert.

Kinder der Klasse 3b der Regenbogenschule zeigen in ihrer Theateraufführung nach Kästners „Die Schildbürger” unter der Leitung von Isabel Liebig, wie die Bewohner der Stadt Schilda das Dummwerden erfinden, einen Bürgermeister wählen und ein dreieckiges Rathaus ohne Fenster bauen.

Der Dokumentarfilm „Houwelandt – ein Roman entsteht“ zeigt, was eigentlich zunächst undenkbar scheint: Jörg Adolph hat den Autor John von Düffel bei der Arbeit an seinem Roman „Houwelandt“ (2004) begleitet. Es gelingt das Draufhalten der Kamera beim intimen Prozess des Schreibens, das filmische Aufzeichnen des Schreibprozesses eines Autors beim Ausprobieren und Korrigieren von Textvarianten. John von Düffel liest dazu Passagen aus seinem Roman.

Zum Festivalabschluss führt der in Berlin lebende Star-Slammer Wehwalt Koslovsky mit sprachlicher Rasanz die Zeitlosigkeit und Virtuosität Kästnerscher Textkonstrukte vor – und präsentiert dazu Balladen aus der eigenen Wortkunstwerkstatt. Zur anschließenden Aftershowparty sind alle herzlich eingeladen!